Obwohl seit dem 18. Jahrhundert in jeder katholischen Kirche ein Kreuzweg hängen soll, ist diese Darstellung des letzten Weges Jesu in (katholischen) Schulen eine Seltenheit – schade! Nicht nur zur Fastenzeit ist die Auseinandersetzung mit dem Leidensweg Jesu und dieser traditionellen Form der Andacht durchaus für das Schulleben bereichernd, vor allem, wenn der Kreuzweg von den Schüler*innen selbst gestaltet wurde. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, von denen ich zunächst zwei aus meinem eigenen Unterricht vorstelle:
Variante 1: Der klassische Kreuzweg
Zunächst erfolgte die Rezeption des Bibeltextes: Die verschiedenen Stationen wurden erarbeitet und mit den „normalen“ Stationen abgeglichen. Im Plenum überlegten die Schüler*innen den groben Rahmen ihres Projektes: Es sollten schwarz-weiß Fotos entstehen, die Jesus darstellen, ohne dabei aber ein Gesicht zu zeigen und generell sehr reduziert sein sollten. Recht zügig ging es an die Feinplanung: Rollenverteilung, Requisitensuche und Bildaufbau wurden in Kleingruppen verteilt, ein Technikteam bildete sich heraus, das die Bilder aufnahm und auch die Nachbearbeitung übernahm. Während der Aufnahmen auf dem Schulgelände war die ganze Klasse anwesend und innerhalb weniger Stunden (etwas mehr als eine Doppelstunde) entstand die folgende Bilderreihe:
Diese wurden ausgedruckt und hätten im Schulgebäude aufgehangen werden sollen – wenn Corona nicht gewesen wäre.
Variante 2: Moderne Transformation
Mit meiner nächsten Schülergruppe wollte ich über das reine Nachstellen hinausgehen, weshalb ich mit der Kunstkollegin zusammen das Projekt plante. Zu Hilfe kam mir eine Methode, die ich auf einer Fortbildung mit Prof. Dr. Altmeyer, Uni Mainz, kurz davor kennengelernt hatte: „Sag’s doch einfach – in deinen eigenen Worten„. Ziel ist, mithilfe Regeln der sogenannten „Leichten Sprache“ religiöse Sprache so verständlich wie möglich zu übersetzen beziehungsweise zu nutzen.
Ähnlich wie beim letzten Mal, erarbeiteten die Schüler*innen mithilfe der Bibeltexte sowie „klassischer“ Kreuzwege die Inhalte der verschiedenen Stationen. Dieses Mal wurden sie dazu in Gruppen eingeteilt und jede Gruppe sollte den Inhalt ihrer Station, quasi die Essenz, auf ein Wort reduzieren. Diese sollte (aus ästhetischen Gründen wie man später sieht) möglichst den Buchstaben t enthalten. Wir sammelten die Begriffe an der Tafel, wägten ab und wählten aus. Anschließend wurden im Kunstunterricht die Relief-Tafeln aus Ton gestaltet.
Parallel erarbeiteten wird mit einer freiwilligen Gruppe die dazugehörigen Mediationstexte mithilfe der Regeln zu „Sag’s doch einfach“, welche wiederum mit dem Tool Canva gestaltet wurden. Ausgehend vom Begriff erarbeiteten die Schüler*innen Bezüge zu ihrem Leben und ihren Erfahrungen damit – und damit wurden die Erfahrungen Jesu im Kreuzweg zu ihren eigenen, und der Mann, der vor über 2000 Jahren gestorben ist, war ihnen auf einmal ganz nah.
Hier unsere Ergebnisse:
Mittlerweile hängt der Kreuzweg in unserer Aula unter der Decke – mitten im Leben und doch muss man den Blick bewusst nach oben wenden, um ihn zu sehen. Jedes Mal, wenn ich daran vorbei laufe, bleibt mein Blick an einem anderen Wort hängen, das mir auf dem Weg zum Klassenraum nachklingt. Über die Schulhomepage sind die Texte abrufbar und zur Arbeit im Unterricht nutzbar – entweder als Gesprächsgrundlage oder Inspiration zur eigenen Auseinandersetzung mit Jesu Leidensweg und manchmal auch dem eigenen.
Durchgeführt und vorgestellt von Simone
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